175 Jahre TSv Korbach Ausstellung statt Festschrift
Bei der Gründung des älteren der beiden Vorgängervereine, des TV 1850, gab es noch nicht einmal Deutschland als Staat, hielt Vorsitzender Andreas Boltner fest – die Revolution von 1848/49 war gerade niedergeschlagen worden. Los ging es mit dem Turnen, im Freien hielt die Obrigkeit das oft für konspirativ, wie Ortwin Terörde, Projektleiter der Ausstellung, erläuterte– in Waldeck war es aber wohl nicht verboten. Das genaue Gründungsjahr ist unbekannt, eine Fahne gibt den Hinweis auf 1850. Klarer ist es beim anderen Ur-Verein, dem SV 09: Der entstand aus dem Fußball-Club Schwalbe, der sich der erst verpönten „Fußlümmelei“ oder „Engländerei“ widmete.
Mittlerweile verbinde der Verein Spitzensport und Breitensport in 20 Abteilungen, hielt Bürgermeister Stefan Kieweg fest. Es kam immer neues dazu, neu sind etwa Parkour und Cheerleading; anderes verschwand wieder, wie Faust- und Wasserball. „Der Verein hat Trend und neue Sportarten angenommen und schafft es immer wieder aufs Neue, Menschen zu erreichen“, erklärte er den Erfolg. Das habe gesellschaftliche Bedeutung: „Der Verein steht für täglich gelebte Integration, quer durch alle Altersklassen, durch alle Sportarten und alle Kulturen.“
„Vereine sind moderner und gefragter denn je“, hielt Uwe Steuber fest, Vorsitzender des Sportkreises Waldeck-Frankenberg und Vizepräsident des Landessportbunds. Dennoch sei es schwierig, die Strukturen zu erhalten, sagte er mit Blick etwa auf die Ganztagsschule. Die Zukunft des Vereins stehe auf der Hauer: Das Herbert-Kuhaupt-Sportzentrum. Wie Ortwin Terörde sagte, sei es dem Verein damit gelungen, dem neuen Fitnessbewusstsein in der Gesellschaft gerecht zu werden.
Einig waren sich die Redner, dass die Fusion von 1990 die richtige Entscheidung gewesen ist. „Der Zusammenschluss ist auf viel Widerstand gestoßen“, blickte Museumsleiter Dr. Arnulf Scriba zurück – manch einem habe es das Herz gebrochen. „Aber wenn wir etwas aus der Geschichte lernen, dann, dass alles Veränderung ist.“ So gingen TV 1850 und SV 09 zwar vielleicht eine Vernunftehe ein, aber der „Sprössling“ TSV 1850/09 entwickele sich hervorragend. Im Verein gehe es neben dem Hauptzweck immer darum, Spaß zu haben und gemeinsame Erinnerungen zu formen, hielt Scriba fest, bevor die Ausstellung eröffnet wurde und es just dafür erneut Gelegenheit gab.
Wortwörtlich bewegte Geschichte
Es ist das einzige Exponat, das die Besucher berühren dürfen, und dabei sagt es viel aus: Als Volker Schnatz und Elias Mayer die beiden Badminton-Schläger tauschen, staunen beide über den Gewichtsunterschied. Ein paar Jahrzehnte Entwicklung machten aus leicht sogar federleicht. Welche Möglichkeiten ganze 175 Jahre einem Sportverein geben, erkunden rund um sie herum die ersten Besucher der Ausstellung „Der TSV 1850/09 Korbach – von der Vergangenheit ins Hier und Jetzt“, die Mittwochabend im Wolfgang-Bonhage-Museum Korbach eröffnet hat.
257 Objekte und 230 Fotos von rund 30 Leihgebern inklusive TSV und Stadtarchiv sind zusammengekommen. Dabei sind Sportgeräte und -kleidung aus knapp 100 Jahren: Das reicht von Turnkeulen aus den 1930er Jahren und einem kaum jüngeren Fechtanzug über einen Boxsack aus den 1960ern bis zu Turnanzügen aus den 1980ern – selbst der aus dem Jahr 2002 mutet schon historisch an, bemerken einige Besucherinnen. Der ältere gehört Kathrin Hollstein, zusammen mit Fotos und Bändern wird er ausgestellt. „Meine Eltern haben viele Sachen für mich aufgehoben“, sagt sie – sie sei froh, sie nun für die Ausstellung verleihen zu können.
Auch Abteilungen, die es nicht mehr gibt, finden sich in der Ausstellung wieder, etwa Wasserball und Baseball. Zwei Vitrinen weiter finden sich Exponate von Spielfesten wie Pedalos und Scoopball-Schläger: Ab den 1980er Jahren fiel der Blick nicht mehr rein auf den Wettkampf, sondern auf „Sport für alle“, blickt Ortwin Terörde, Projektleiter der Ausstellung, zurück. Es wurden zugängliche Angebote für Familien geschaffen: „Das haben wir durchgezogen, bis es kapiert wurde.“ Heute seien Schulen und Kitas da gut aufgestellt.
Wie sehr der Sportverein auf die Gesellschaft ausstrahlt, zeigen etwa die Kostüme der Tanzabteilung von Auftritten beim Hessentag, dem Altstadtkulturfest, der Twister Freilichtbühne oder dem Enser Weinfest. Abteilungen lernen sich gegenseitig besser kennen: Als Fußball-Abteilungsleiter habe er zuerst bei seiner Sparte geguckt, sagt Volker Schnatz – aber beim Rundgang habe er Spaß daran, auf den Mannschaftsfotos nach Bekannten zu suchen. Andere treffen sich vor Ort wieder: So begrüßt Fecht-Abteilungsleiter Thorsten Gänz begeistert Ute und Horst Bielig, die die Abteilung ab 1967 wieder groß gemacht haben.
Die Exponate sprechen für sich, einen Überblick über die Geschichte von TV 1850 und SV 09 gibt es aber auch zu lesen. „Es ist ein Ausblick auf den Gesamtverein“, unterstreicht Ortwin Terörde. Christian Fait, der ein Freiwilliges Soziales Jahr im Museum absolviert, hat nicht nur mit Archivalien gearbeitet, sondern auch eine Rätselecke eingerichtet. Ein weiterer interaktiver Part: Mit elf Interviewpartnern wurden „Döneckes“ aus den Abteilungen aufgenommen – die älteste Gesprächspartnerin ist Jahrgang 1938. Entstanden sind 19 Geschichten von jeweils zwei Minuten, welche die Besucher sich anhören können.
„Es sind viele tolle Leihgaben zusammengekommen, von alten Trikots und Fotoalben bis zu moderneren Sportgeräten“, unterstreicht Museumsleiter Dr. Arnulf Scriba. Ausgangspunkt war ein Besuch Ortwin Terördes im Lager der Trophäen und Akten: Elf verschimmelte Kartons mussten entsorgt werden, vier retteten die Mitarbeiter des Stadtarchivs. Auf die Frage, was er mit Pokalen, Wimpeln und Medaillen tun sollte, habe der stellvertretende Vorsitzende Thorsten Spohr eine Ausstellung vorgeschlagen – und ihm gleich die Verantwortung angetragen. Viele weitere Leihgeber, ehrenamtliche Helfer, das Museumsteam inklusive Haustechniker Josef Isenberg und Christian Fait trugen zum Erfolg bei.
Dem Museumsteam habe die Ausstellung bewusst gemacht, dass sonst noch nie ein Verein im Mittelpunkt stand, hält Arnulf Scriba fest. „Beim Wort Museum denken manche, es sei abgehoben, abstrakt oder unnahbar. Aber wir sind da für die Menschen, Vereine und auch Unternehmen der Region. Wir sind offen für gute Ideen“, lädt er ein, sich zu melden.